Untersuchung des urbanen Aerosols auf abwasserbürtige Aerosole anhand der Tracer Choprostanol und Cholesterol
STMLU
Von 08/2002 bis 07/2003Projektleiter: Reimer Herrmann
Mitarbeiter: Michael Radke
Ziel dieser Studie war, anhand geeigneter Tracersubstanzen die Emission von Aerosolpartikeln während der Abwasserbehandlung abzuschätzen und den Transport dieser Partikel zu untersuchen. In Aerosolpartikeln, die an der Kläranlage Bayreuth und deren Umgebung, am Rande einer Abwasserverregnungsfläche der Kläranlage Hiltpoltstein sowie am Waldstein im Fichtelgebirge beprobt wurden, wurde dies anhand ausgewählter Substanzen untersucht. Auf Seiten der organischen Substanzen wurden einige Sterole und Östrogene ausgewählt, unter anderem die Substanzen Cholesterol, b-Sitosterol und Coprostanol, ferner wurde die Summe der anionischen Tenside über den Summenparameter Methylenblau-Aktive Substanz (MBAS) bestimmt. Zum Test eines in der Literatur beschriebenen Verfahrens zur Bestimmung von Anreicherungsfaktoren unpolarer Substanzen bei der Aerosolbildung wurden einige anorganische Kationen und Anionen gemessen. Neben den Aerosolpartikeln wurden auch Abwassermischproben auf den Gehalt der untersuchten Substanzen analysiert. In einer Probenahmekampagne im Januar/Februar 2003 wurden Aerosolproben an der Kläranlage Bayreuth (Vorbelüftung) sowie zwei Standorten in ca. 1 km Entfernung östlich bzw. nordwestlich der Kläranlage gesammelt. In diesem Proben zeigte sich, dass die Konzentration von Cholesterol und MBAS an der Kläranlage durchgängig höher war als an den beiden anderen Standorten, Coprostanol konnte nicht in allen Proben der kläranlagenfernen Standorte nachgewiesen werden. Bei den anderen untersuchten Substanzen konnte dieses Verhalten nicht beobachtet werden, die Konzentrationen dieser Stoffe unterschieden sich im Aerosol der drei Standorte nicht systematisch. Durch die im Vergleich zur Umgebung der Kläranlage erhöhten Konzentrationen von Cholesterol und MBAS, vor allem aber durch den Nachweis von Coprostanol, das hoch spezifisch für Abwasser ist, konnte gezeigt werden, dass aus dem Vorbelüftungsbecken Aerosolpartikel emittiert wurden. Ferner gelang durch die Bestimmung von Coprostanol an den beiden kläranlagenfernen Standorten der Nachweis dafür, dass abwasserbürtige Aerosolpartikel in der Atmosphäre bis zu diesen Standorten transportiert werden können. Die Konzentration von Coprostanol lag an der Kläranlage im Bereich 700?2200 pg m-3, die Cholesterol-Konzentration lag in der gleichen Größenordnung, wobei sich bei beiden untersuchten Substanzen sehr große Variationen zwischen einzelnen Proben zeigten, die im Fall von Coprostanol in ihrer zeitlichen Dynamik dem Konzentrationsverlauf im Abwasser folgen. Dies zeigt, dass die Aerosolpartikel tatsächlich aus dem Abwasser und nicht aus einer anderen Quelle stammen. Da Cholesterol auch noch aus anderen Quellen in höheren Konzentrationen in die Aerosolphase eingetragen werden kann, ist dieser Zusammenhang für Cholesterol (und die anderen untersuchten Steroide) nicht zu erkennen. Die Analyse der Aerosolproben, die an der Kläranlage gewonnen wurden, ergab ferner Konzentrationen der untersuchten Östrogene b-Estradiol und Estron von von 50?260 pg m-3 bzw. 40?600 pg m-3. Diese Substanzen konnten an den kläranlagenfernen Standorten nicht nachgewiesen werden. Eine zweite Probennahme-Kampagne, die im Juni 2003 an der Kläranlage Bayreuth durchgeführt wurde, ergab für die Steroide ähnliche Resultate. Durch die Bestimmung von MBAS im Aerosol liegt der erste Datensatz für diesen Parameter in terrestrischen Aerosolpartikeln vor. Die Konzentrationen an der Kläranlage lagen im Bereich 60?210 pg m-3, an den beiden anderen Standorten waren die Konzentrationen in der Regel 10 50 % geringer. Stichprobenartig wurden zwei weitere potentielle Quellen für Aerosolpartikel an der Kläranlage Bayreuth untersucht. Sowohl an einem Beckenüberlauf als auch in einem Verbindungskanal zwischen zwei Becken wurden Coprostanol-Konzentrationen bestimmt, die über den an der Vorbelüftung gemessenen Werten lagen. Die Größenverteilung der Sterole im Aerosol, die durch Beprobungen mit einem Kaskadenimpaktor ermittelt wurde, war zu beiden Zeiträumen ähnlich. Coprostanol und Cholesterol waren überwiegend mit Partikeln assoziiert, die Durchmesser > 1,35 µm besaßen. Die ähnliche Größenverteilung ist ein Indiz dafür, dass beide Substanzen aus der gleichen Quelle stammen. Die Untersuchung der Aerosolpartikel an der Abwasserverregnungsfläche der Kläranlage Hiltpoltstein (Lkr. Forchheim) ergab geringere Cholesterol-Konzentrationen im Vergleich zu den Daten für Bayreuth. Die MBAS- und Coprostanol-Konzentration in den Aerosolpartikeln war dagegen in einer ähnlichen Größenordnung wie an den beiden kläranlagenfernen Standorten in Bayreuth. Bemerkenswert war die unterschiedliche Größenverteilung von Coprostanol: während in Bayreuth Partikel mit Durchmessern > 1,35 µm die höchsten Coprostanol-Konzentrationen aufwiesen, waren es in Hiltpoltstein die Partikel mit Durchmesser < 1,35 µm. Im Hinblick auf mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen ist dies von Bedeutung, da die kleineren Partikel bis in die Lungenbläschen vordringen können, größere Partikel jedoch in den äußeren Atemwegen abgeschieden werden. Die Untersuchung des Aerosols vom Standort Waldstein im Fichtelgebirge, der als von direkten anthropogenen Einflüssen unbeeinflusste Referenz ausgewählt wurde, ergab keine Hinweise auf das Vorhandensein von Coprostanol. Die Konzentration anderer Sterole war gering im Vergleich zu den Aerosolproben, die im Stadtgebiet von Bayreuth gewonnen wurden. Die MBAS-Konzentration am Waldstein war hingegen in einer ähnlichen Größenordnung wie im Stadtgebiet. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Emission von Aerosolpartikeln während der Abwasserbehandlung von Bedeutung sein kann. Coprostanol erscheint geeignet, um diese Aerosolpartikel qualitativ und - bis zu einem gewissen Grad - auch quantitativ zu erfassen. Zusammen mit den Parametern MBAS und Cholesterol ist es möglich, den Beitrag der Abwasserbehandlung zur Belastung der städtischen Atmosphäre mit abwasserbürtigen Substanzen zu untersuchen. Die Resultate dieser Untersuchung bieten Anknüpfungspunkte für weitere Forschung. Für eine Bilanzierung der während der Abwasserbehandlung aerosolgebunden emittierten Substanzen wäre es erforderlich, Abwasserbehandlungbecken komplett einzuhausen, um im Unterschied zu dieser Studie eine definierte Aerosolquelle zu haben und den Einfluss des städtischen Aerosols auszuschließen. Da das Verhalten der Sterole und Tenside in der Atmosphäre bislang nur unzureichend untersucht wurde, sollte dies in weiteren Studien ebenfalls in Betracht gezogen werden. Bei der Planung von Abwasserbehandlungsanlagen sollten die Ergebnisse dieser Studie in Betracht gezogen werden und kritische Anlagenteile wie grobblasig belüftete Becken oder Beckenüberläufe entsprechend so konstruiert werden, dass möglichst wenig Aerosolpartikel emittiert werden. Bei bestehenden Anlagen wäre unter Umständen als Vorsorgemaßnahme eine Umgestaltung einschlägiger Anlagenteile anzuraten, wenn die Kläranlage an Wohngebiete angrenzt. Dringender Handlungsbedarf ist nach den Ergebnissen dieser Studie jedoch nicht geboten.