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Fakultät für Biologie, Chemie und Geowissenschaften

Lehrstuhl für Hydrologie - Prof. Dr. Stefan Peiffer

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Doktorarbeit

Physikalisch-chemische Gesetzmäßigkeiten der Wechselwirkungen an und mit Mikroplastik-Partikeln in wässriger Lösung; Verhalten und Migration in und zwischen Umweltkompartimenten

Johanna Schmidtmann (01/2020-05/2024)

Betreuer: Stefan Peiffer, Ben Gilfedder, Michael Sander

Zusammenfassung

Die Verschmutzung der Umwelt mit Mikroplastik (MP) ist allgegenwärtig. Daher ist es wichtig zu verstehen, wie sich MP in der Umwelt verhält, wie es mit weit verbreiteten Umweltpartikeln interagiert und wie sich diese Wechselwirkungen auf den Verbleib sowie den Transport von MP in der Umwelt auswirken. Diese Dissertation untersucht, inwieweit Wechselwirkungen von MP mit natürlich vorkommenden Eisenoxyhydroxiden die Oberflächeneigenschaften von MP-Partikeln und deren Sedimentation im Wasser beeinflusst.

In Studie 1 wurde die Heteroaggregation von 1 μm Polystyrol (PS) und Ferrihydrit, einem natürlichem vorkommenden Eisenoxyhydroxid, unter Einfluss des pH-Wertes untersucht. Die Interaktionen zwischen den Partikeln waren stark von den elektrostatischen Wechselwirkungen abhängig. Bei sauren und neutralen pH-Werten wurden die negativ geladenen PS-Partikel mit positiv geladenen Ferrihydrit-Partikeln beschichtet. Im sauren Bereich führte dies zu einer Ladungsumkehr von negativ zu positiv. Im neutralen Bereich hingegen sorgte die Ferrihydrit-Beschichtung für eine Ladungsneutralisierung, welche zu starker Heteroaggregation führte. Diese starke Heteroaggregation führte zu rascher Sedimentation des MP. Bereits nach einem Tag waren die PS-Partikel fast vollständig sedimentiert. Im sauren und alkalischen pH-Bereich blieb die Sedimentation aus, da die beschichteten Partikel im sauren Bereich eine hohe positive Ladung annahmen, welche weitere Aggregation verhinderte. Im alkalischen Bereich fand keine Aggregation statt, da PS und Ferrihydrit beide negativ geladen waren und sich somit weitestgehend voneinander abstießen. Abschließend lässt sich feststellen, dass Wechselwirkungen mit natürlichen Partikeln nicht nur die Oberflächeneigenschaften von MP beeinflussen, sondern auch zu verstärkter Sedimentation führt, welche den Transport von MP im Wasser beeinflusst.

In Studie 2 wurde die Aggregation und Sedimentation statt mit fabrikneuen PS-Partikeln mit UV-bestrahlten Partikeln untersucht. Durch UV-Bestrahlung nahm die Partikelgröße ab, die Oberflächen wurden rauer und „schrumpeliger“, die negative Oberflächenladung nahm ab und gelöste und partikuläre Verwitterungsprodukte entstanden. Die veränderten Eigenschaften der PS-Partikel führten zu veränderter Heteroaggregation mit Ferrihydrit. Mit zunehmender Bewitterung wurde der Ladungsnullpunkt vom neutralen in den sauren Bereich verschoben. Auffällig war, dass maximale Heteroaggregation und Sedimentation von gealtertem PS mit Ferrihydrit nicht nur am Ladungsnullpunkt zu beobachten war, sondern über einen größeren pH-Bereich, vermutlich durch die erhöhte Oberflächenreaktivität der bestrahlten Partikel. Durch die Entstehung von funktionellen Gruppen auf der Oberfläche konnten sich nicht nur elektrostatische Wechselwirkungen zwischen den Partikeln, sondern auch andere Interaktionen wie z.B. Wasserstoffbrückenbindungen ausbilden. Ein weiterer Aspekt, der Einfluss auf das Aggregationsverhalten hatte, waren durch die Alterung entstandene Verwitterungsprodukte, die ebenfalls mit PS und Ferrihydrit wechselwirkten. Zusammenfassend erhöhten UV-induzierte Veränderungen der PS-Oberfläche die Wechselwirkungen mit Ferrihydrit und dadurch die Sedimentation von PS. Darüber hinaus wurde mit zunehmender UV-Verwitterung die Bildung gelöster Verwitterungsprodukte beobachtet, und letztendlich entwichen etwa 90% des PS aus der Suspension als Gas.

Nachdem in den ersten beiden Studien starke Wechselwirkungen zwischen PS und Ferrihydrit festgestellt wurden, wurde in Studie 3 untersucht, inwieweit eine Beschichtung von MP mit Ferrihydrit die initial hydrophoben Eigenschaften von MP im Boden verändert. Dafür wurden MP Hotspots (PS und Polyethylenterephthalat (PET), 20-75 μm) in Sand eingebracht und der Kapillaraufstieg von Wasser mittels Neutronenradiographie abgebildet. Unbeschichtete, fabrikneue MP Hotspots waren nicht mit Wasser benetzbar. Für beschichtete MP Hotspots wurden Unterschiede je nach Polymertyp beobachtet: beschichtetes PS war weiterhin wasserabweisend, beschichtetes PET hingegen sog Wasser in den Hotspot auf. Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Ferrihydrit-Beschichtung die Oberflächenbenetzbarkeit von MP je nach Polymerart verändert und somit den hydrophoben Eigenschaften von fabrikneuem MP entgegenwirkt. Die Dynamik der MP-Beschichtung und die zunehmende Benetzbarkeit sind Schlüsselfaktoren für biotische und abiotische Abbauprozesse im Boden.

In Studie 4 wurde eine analytische Methode zur Quantifizierung von PS-Partikeln, mit Durchmessern in den unteren Mikrometern, aus wässriger Phase erarbeitet. Für Laborexperimente mit MP (z.B. Sedimentationsversuche aus Studie 1 und 2) ist eine schnelle und einfache Quantifizierungsmethode nicht nur essenziell, sie ist oft auch mit geringeren Anforderungen als bei Umweltproben verbunden. Hier wurde gezeigt, dass sich ein Total Organic Carbon (TOC) Analysator zur Quantifizierung von PS im unteren Mikrometerbereich eignet. Für eine erfolgreiche Oxidation von PS zu CO2 in dem Instrument ist die Zugabe von Eisen- oder Aluminiumhydroxiden als zusätzlicher Katalysator notwendig. Dadurch kann die Wiederfindung von 52,9% auf 89,7% erhöht werden. Die TOC-Methode bietet somit eine einfache und schnelle Alternative für die Quantifizierung von MP in dem unteren Mikrometer-bereich für Proben, in denen keine weiteren organische Substanzen vorhanden sind.

Zusammenfassend wurde in dieser Arbeit gezeigt, dass die Oberflächeneigenschaften von MP in der Umwelt sowie deren Sedimentation stark von den Wechselwirkungen mit natürlichen Partikeln und Kolloiden abhängen. In der wässrigen Phase führt starke Heteroaggregation mit Ferrihydrit zu Sedimentation von MP und im Boden verändert eine Beschichtung von MP mit Ferrihydrit die initial hydrophoben Eigenschaften der MP-Partikel. Somit ist es essenziell, die Wechselwirkungen mit natürlichen Substanzen zu berücksichtigen, wenn Vorhersagen über das Verhalten oder den Verbleib von MP in der Umwelt getroffen werden.

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